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Unzureichender Finanzausgleich hindert nicht die Aufgabenzuweisung an eine Gemeinde

Datum: 25.01.2005

Kurzbeschreibung: 

Die Übertragung weiterer Aufgaben an eine Gemeinde ist nicht bereits dann nichtig, wenn der Landesgesetzgeber die dadurch verursachte finanzielle Mehrbelastung nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang ausgleicht. Dies hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit Beschluss vom 03.12.2004 klargestellt und einen Normenkontrollantrag der Stadt Waldkirch abgelehnt, mit dem diese die Übernahme der Grundbuchämter der Gemeinden Biederbach, Elzach und Gutach im Breisgau verhindern wollte.

Die Grundbuchämter dieser Gemeinden waren im Zusammenhang mit der Einführung des sogenannten elektronischen Grundbuchs durch Verordnung des Justizministeriums zum 01.01.2004 aufgelöst und der Stadt Waldkirch übertragen worden. Diese sah sich hierdurch in ihrer Organisations-, Finanz- und Personalhoheit verletzt. Sie werde im Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung mit erheblichen Kosten für notwendige Baumaßnahmen und zusätzliches Personal belastet. Das Land gleiche diesen Aufwand nur unzureichend aus. Die Aufgabenzuweisung sei zudem nicht erforderlich und unverhältnismäßig, da in absehbarer Zeit mit der Einführung freier Notariate und der Übertragung der Zuständigkeiten des Grundbuchamtes auf die Amtsgerichte zu rechnen sei. Damit erwiesen sich die im Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung aufgewandten Kosten der Gemeinde letztlich als nutzlos. Der VGH ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat den Normenkontrollantrag aus folgenden Gründen abgelehnt (zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vgl. Pressemitteilung vom 23.12.2003):

Zwar stelle die Übertragung von Aufgaben außerhalb des Gemeindegebiets einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Antragstellerin dar. Denn diese werde durch die Übertragung der neuen Grundbuchzuständigkeiten zu erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwendungen gezwungen. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt und vertoße nicht gegen höherrangiges Recht. Der Landesgesetzgeber habe das Justizministerium hinreichend bestimmt zum Erlass der Rechtsverordnung ermächtigt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei die Übertragung der Zuständigkeiten für die Grundbuchämter Biederbach, Elzach und Gutach im Breisgau auch sachlich vertretbar, willkürfrei und verhältnismäßig. Der generelle Übergang zum freien Notariat im badischen Landesteil sei aufgrund des Beschlusses des Ministerrats vom 16.12.2003 ausdrücklich zurückgestellt worden, weil dies zu erheblichen Einnahmeausfällen im Landeshaushalt in Höhe von gegenwärtig mindestens 30 Millionen Euro führen würde. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass die erheblichen finanziellen Aufwendungen der Antragstellerin sich in absehbarer Zeit als unnötig erweisen könnten. Die Antragstellerin habe auch nicht dargelegt, dass ihre verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung durch die Übernahme der neuen Aufgabe unterschritten werde. Zwar sei das Land nach Art. 71 Abs. 3 Sätze 2 und 3 Landesverfassung verpflichtet, Mehrbelastungen der Gemeinden aus der Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe finanziell „entsprechend“ auszugleichen. Da die Regelung der Kostendeckung und des finanziellen Ausgleichs aber nicht in demselben Gesetz vorzunehmen sei, durch das die Übertragung der Aufgabe erfolge, führe ein etwaiger Verstoß nicht zur Nichtigkeit der Aufgabenübertragung. Aus diesem Grund könne vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Mehrkosten wie vom Justizministerium behauptet ausreichend ausgeglichen werden.

Die Revision gegen den Normenkontrollbeschluss wurde nicht zugelassen; die Antragstellerin kann hiergegen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen (Aktenzeichen: 4 S 2789/03).


Artikel 71 der Verfassung des Landes B.-W.
(1)
Das Land gewährleistet den Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie den Zweckverbänden das Recht der Selbstverwaltung.
Sie verwalten ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung.
Das gleiche gilt für sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten in den durch Gesetz gezogenen Grenzen.
(2)
Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet die Träger der öffentlichen Aufgaben, soweit nicht bestimmte Aufgaben im öffentlichen Interesse durch Gesetz anderen Stellen übertragen sind.
Die Gemeindeverbände haben innerhalb ihrer Zuständigkeit die gleiche Stellung.
(3)
Den Gemeinden und Gemeindeverbänden kann durch Gesetz die Erledigung bestimmter öffentlicher Aufgaben übertragen werden.
Dabei sind Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen.
Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.
(4)
Bevor durch Gesetz oder Verordnung allgemeine Fragen geregelt werden, welche die Gemeinden und Gemeindeverbände berühren, sind diese oder ihre Zusammenschlüsse rechtzeitig zu hören.

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