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Gemeinde kann "Leichentourismus" nicht verhindern

Datum: 12.07.2005

Kurzbeschreibung: 


Eine Gemeinde kann nicht verhindern, dass innerhalb ihrer Gemeindegrenzen verstorbene Personen aus Kostengründen bis zur Beerdigung in eine auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde liegende Leichenhalle verbracht werden. Diese vom Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis in einem Widerspruchsverfahren vertretene Rechtsauffassung hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) am 28.02.2005 in einem Berufungsverfahren bestätigt.

Die Gemeinde Buchen/Odenwald (Klägerin) hatte einem in Buchen tätigen Bestattungsunternehmen aufgegeben, künftig die Leichen von in Buchen verstorbenen Personen in eine der dortigen öffentlichen Leichenhallen zu überführen, wenn die Bestattung auf dem Friedhof der Klägerin vorgesehen sei. Der Bestattungsunternehmer unterhielt an dem außerhalb der Gemeinde liegenden Hauptsitz seines Unternehmens einen eigenen Leichenraum. Diesen wollte er aus Kostengründen auch für Bestattungen in Buchen nutzen. Die Gemeinde war der Auffassung, ein ausschließlich an wirtschaftlichen Überlegungen ausgerichteter Transport von Leichen, um Leichenhallengebühren zu ersparen, sei nicht erlaubt und widerspreche dem Pietätsgefühl. Sie dürfe diesen „unzulässigen Leichentourismus“ daher mit polizeirechtlichen Mitteln verhindern. Auf den Widerspruch des Bestattungsunternehmens (Beigeladenen) hatte das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis die Verfügung der Gemeinde aufgehoben und den Bestattungsunternehmer verpflichtet, künftig bei der Überführung von Leichen in eine andere Gemeinde das schriftliche Einverständnis der Angehörigen des Verstorbenen mitzuführen. Die Klage der Gemeinde gegen die Aufhebung ihres Bescheides wurde vom Verwaltungsgericht Karlsruhe abgewiesen. Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung der Gemeinde hat der VGH zurückgewiesen.

Zur Begründung führte er aus: Die Klage der Gemeinde gegen die Aufhebung ihrer Verfügung im Widerspruchsverfahren sei bereits mangels Klagebefugnis unzulässig. Denn diese Entscheidung des Landratsamtes verletze die Gemeinde offensichtlich nicht in ihren subjektiven Rechten. Insbesondere könne sich die Gemeinde in diesem Zusammenhang nicht auf eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltung berufen. Das Bestattungsgesetz verpflichtet zwar Gemeinden, bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses Friedhöfe und andere Bestattungseinrichtungen, insbesondere Leichenhallen, vorzuhalten. Das Bestattungsgesetz sehe jedoch keinen Benutzungszwang für gemeindliche Leichenhallen vor. Die bloße Aussicht auf höhere Einnahmen durch eine bessere Auslastung der eigenen Leichenhalle sei durch die Selbstverwaltungsgarantie nicht geschützt. Diese ermächtige nicht zu Eingriffen in die Rechte Dritter, weshalb die Gemeinde auf diesem Weg auch keine Verbesserung ihrer Finanzausstattung erzwingen könne. Zwar sei die Gemeinde als Ortspolizeibehörde auch zuständig für die Überwachung der Vorschriften im Bereich des so genannten Leichenwesens, d.h. insbesondere für die Überwachung der Vorschriften über die Überführung von Leichen in Leichenhallen und über die Leichenbeförderung. Insoweit nehme die Gemeinde jedoch Pflichtaufgaben wahr, für die das Polizeigesetz ausdrücklich eine Weisungsbefugnis der übergeordneten Behörde vorsehe. Aus diesem Grund habe sie Entscheidungen dieser übergeordneten Behörde grundsätzlich ohne Rechtsschutzmöglichkeit zu akzeptieren und könne sich nicht dagegen wehren, wenn das übergeordnete Landratsamt eine andere Rechtsauffassung vertrete. Dieses ging davon aus, ein Transport von Leichen sei dann nicht zu beanstanden, solange er in würdiger Form geschehe, in hygienisch und gesundheitlicher Hinsicht unbedenklich sei und die erforderlichen Unterlagen mitgeführt würden. Da Leichen jedoch nicht entgegen den Interessen der nahen Angehörigen aus rein unternehmerischen Kostengründen in andere Gemeinden transportiert werden dürften, sei der Bestattungsunternehmer (nur) verpflichtet, eine schriftliche Einverständniserklärung des bestattungspflichtigen Angehörigen beim Transport mitzuführen. Das Urteil - 1 S 1312/04 - ist rechtskräftig.





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