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Stadt Sachsenheim: Nachbarklage gegen Biogasanlage Kleinsachsenheim in zweiter Instanz erfolglos

Datum: 21.04.2015

Kurzbeschreibung: 

Die der Biokraft Sachsenheim GmbH & Co. KG (Beigeladene) vom Landratsamt Ludwigsburg (Beklagter) erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Biogasanlage in Kleinsachsenheim verletzt keine Rechte eines Eigentümers von Nachbargrundstücken (Kläger). Das hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem den Beteiligten in dieser Woche zugestellten Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. März 2015 entschieden. Zugleich hat er auf Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen ein gegenteiliges Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart (VG) geändert und die Klage des Klägers gegen die Genehmigung abgewiesen.

Der Kläger ist Eigentümer von Grundstücken im Außenbereich des Stadtteils Kleinsachsenheim in der Stadt Sachsenheim. Die früher gärtnerisch genutzten Grundstücke sind mit einem Wohnhaus und einem Wirtschaftsgebäude bebaut. Die Beigeladene betreibt auf der anderen Straßenseite ca. 50 m vom Wohnhaus des Klägers entfernt eine Biogasanlage. Der Beklagte erteilte ihr für Errichtung und Betrieb dieser Anlage eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Das VG hob diese Genehmigung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung auf, der Kläger sei unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt. Der Beklagte und die Beigeladene legten dagegen Berufungen ein. Der Beklagte ordnete zudem an, einen Gärreste-Behälter gasdicht zu verschließen, und erteilte der Beigeladenen dafür eine Änderungsgenehmigung. Eine weitere Änderungsgenehmigung erhöhte die Feuerungswärmeleistung und die einsetzbare Güllemenge. Der Kläger bezog die Änderungsgenehmigungen in seine Klage ein. Der VGH hat das Urteil des VG nach weiterer Anhörung von Sachverständigen geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Genehmigung in ihrer geänderten Fassung verletze den Kläger nicht in seinen (Nachbar-)Rechten.

Der Kläger habe keinen Schutz- und Abwehranspruch gegen die Errichtung und Betrieb der Biogasanlage. Ein solcher Anspruch setze die konkrete Gefahr schädlicher Umwelteinwirkungen oder sonstiger negativer Einwirkungen voraus. Aufgrund der vorliegenden Sachverständigengutachten stehe aber fest, dass der Kläger bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Anlage und Abdeckung des Gärreste-Behälters keinen unzumutbaren Immissionen durch Gerüche, Lärm und Staub ausgesetzt sei.

Der Emissionsgrenzwert für Formaldehyd werde eingehalten. Einer potentiellen Gefährdung durch Bioaerosole sei nur nach dem Vorsorgegrundsatz zu begegnen, der keinen Nachbarschutz vermittle. Die Biogasanlage sei auch kein Störfallbetrieb, weil die Mengenschwelle der Störfall-Verordnung für hochentzündliches Gas nicht erreicht werde. Die in der Bauleitplanung bei Störfallbetrieben zu wahrenden Achtungsabstände seien daher nicht einzuhalten. Erhebliche Gefährdungen des Klägers bei Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs seien auch sonst nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Anlage sei intensiv sicherheitstechnisch überprüft worden. Der Beklagte habe sämtliche sicherheitstechnischen Anforderungen der Sachverständigen in Nebenbestimmungen zur Genehmigung in ihrer heutigen Fassung aufgenommen. Die Beigeladene habe diese Anforderungen umgesetzt. Es liege auch ein Brand- und ein Explosionsschutzkonzept vor. Die Statik der Anlage sei mehrfach geprüft worden. Sie habe einen Anfahrschutz und sei gegen Eingriffe Unbefugter abgesichert. Gefahren durch Schneelast könne rechtzeitig begegnet werden. Auch sonst seien alle Vorkehrungen für vernünftigerweise nicht auszuschließende Störungen, wie etwa den Austritt kleiner Gasmengen, getroffen.

Obwohl rechtlich nicht geboten, sei wegen der besonderen Nachbarschaftsverhältnisse eine Ausbreitungsberechnung für "Dennoch-Störfalle" erstellt worden. Aber auch bei vernünftigerweise auszuschließenden Störfällen - wie einer Explosion der größtmöglichen Biogasmenge, einem Abbrand der gesamten Dachhaut, großen Leckagen der Dachhaut oder bei Havarie - sei nicht mit erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter des Klägers zu rechnen. Zwar könne nicht schlechthin ausgeschlossen werden, dass bei solchen Ereignissen auf den Grundstücken des Klägers Sachschäden oder eine kurze toxische Gefährdung durch Chlorwasserstoff bzw. eine sehr kurze Wärmestrahlung aufträten. Die Wahrscheinlichkeit solcher "Dennoch-Störfälle" sei aber äußerst gering; erhebliche Gefahren für Leib und Leben seien nicht zu befürchten.

Eine Vergiftungsgefahr durch Schwefelwasserstoff sei im konkreten Fall nicht anzunehmen. Der Kläger habe auch keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Umwallung der Anlage. Im Übrigen seien mittlerweile zahlreiche Vorkehrungen gegen den Austritt von Substrat getroffen worden, so dass die Wiederholung eines früheren Vorfalls unwahrscheinlich sei.

Der VGH hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Diese Entscheidung kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (Az.: 10 S 1169/13).

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