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Freiburger Alkoholverbote rechtswidrig

Datum: 28.07.2009

Kurzbeschreibung: Mit zwei heute verkündeten Urteilen hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) in zwei Normenkontrollverfahren Bestimmungen in Polizeiverordnungen der Stadt Freiburg über Alkoholverbote für unwirksam erklärt.

Alkoholverbot im „Bermudadreieck“ rechtswidrig
Mit der im Kneipenviertel der Stadt Freiburg („Bermudadreieck") geltenden Verordnung will die Stadt den starken Anstieg von Gewaltdelikten bekämpfen, für den sie den Alkoholkonsum verantwortlich macht. Sie hat daher ein zunächst auf zwei Jahre befristetes Alkoholverbot erlassen, wonach es auf den öffentlich zugänglichen Flächen außerhalb konzessionierter Freisitzflächen verboten ist, alkoholische Getränke zu konsumieren oder mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese dort zu konsumieren. Das Verbot gilt in den Nächten von Freitag bis Montag, jeweils von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr und für die Nacht vor einem gesetzlichen Feiertag. Wer hiergegen verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen.
Nach Ansicht des VGH ist dieses Alkoholverbot von der Generalermächtigung des Polizeigesetzes nicht gedeckt. Diese erlaube eine selbst geringfügige reiheitseinschränkung durch Verordnung nur, wenn typischerweise von jedem Normadressaten auch eine Gefahr ausgeht. Die Feststellung einer Gefahr verlange eine in tatsächlicher Hinsicht abgesicherte Prognose. Es müssten danach hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass all diejenigen, die an den Wochenendnächten im Bermudadreieck mitgebrachten Alkohol konsumierten oder auch nur in Konsumabsicht mit sich führten, regelmäßig gewalttätig würden. Davon könne jedoch weder aufgrund der Lebenserfahrung, noch aufgrund polizeilicher Erhebungen zur Entwicklung der Gewaltkriminalität im betroffenen Gebiet ausgegangen werden. Die enthemmende Wirkung von Alkohol könne zwar zu aggressivem Verhalten führen, aber nicht typischer Weise bei jedem, der der Norm unterworfen werde.

Der VGH stellt weiterhin klar, dass das Eingreifen der Polizei in Einzelfällen gerechtfertigt ist, wenn es zu alkoholbedingten Ausschreitungen kommt. Soll schon im Vorfeld dem Alkoholmissbrauch in städtischen Brennpunkten entgegengewirkt werden, müsse der Gesetzgeber tätig werden. Derzeit bleibe der Stadt nur die Möglichkeit, mit dem herkömmlichen polizeilichen Instrumentarium wie Platzverweisen und Aufenthaltsverboten im Einzelfall gegen Störer vorzugehen; öffentliche Massenbesäufnisse (sog. Botellon) könnten untersagt werden. Auch könne die Stadt die im Rahmen eines Gesamtkonzepts getroffenen Maßnahmen (wie Vereinbarungen mit den gastronomischen Betrieben über die gegenseitige Anerkennung von Hausverboten, die freiwillige Selbstbeschränkung in Bezug auf sog. Flatrate-Angebote, systematische Öffentlichkeitsarbeit und „Gefährderansprachen") weiter verfolgen.

Sog. Randgruppentrinkparagraph rechtswidrig
Auch eine weitere Regelung, die 2007 in eine bereits bestehenden Polizeiverordnung der Stadt eingefügt wurde und auf allen öffentlichen Plätzen und Straßen gilt, wurde vom VGH für unwirksam erklärt. Nach dieser Bestimmung ist das Lagern oder dauerhafte Verweilen außerhalb von Freischankflächen oder Einrichtungen wie Grillstellen u. ä., ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke des Alkoholgenusses, verboten, wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen. Diese Reglung, so der VGH, sei zu unbestimmt. Den Normadressaten sei keine hinreichend eindeutige Abgrenzung zwischen dem verbotenen und dem erlaubten Verhalten möglich. Aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass nur Belästigungen durch Gruppentrinker erfasst seien. Eine Prognose, ob die Auswirkungen des Alkohols geeignet sind, Dritte zu belästigen, könne erst durch den Polizeivollzugsbeamten an Ort und Stelle getroffen werden. Diese Feststellung kann durch eine abstrakt-generelle Regelung nicht ersetzt werden.  

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteile durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. (Az.: 1 S 2200/08 und 1 S 2340/08).

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