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Untersagung von Bildaufnahmen eines SEK-Einsatzes rechtswidrig

Datum: 19.08.2010

Kurzbeschreibung: Die Polizei darf einem Pressefotografen grundsätzlich nicht die Anfertigung von Bildaufnahmen eines Polizeieinsatzes mit der Begründung untersagen, dass bei einer Veröffentlichung der Bilder eine Enttarnung der Beamten des Spezialeinsatzkommandos der Polizei des Landes Baden-Württemberg (SEK) drohe. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute verkündeten Urteil entschieden und damit der Berufung eines Zeitungsverlags gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das die Untersagung von Bildaufnahmen für rechtmäßig erklärt hatte (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.01.2009 und zum Sachverhalt Pressemitteilung des VGH vom 16.08.2010), stattgegeben.

Da die Presse regelmäßig erst nach Sichtung des Fotomaterials über die Art und Weise der Veröffentlichung und über eine gegebenenfalls erforderliche Unkenntlichmachung von Personen entscheidet und in dieser Entscheidung durch die in Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete Pressefreiheit grundsätzlich geschützt ist, kann nicht bereits die Anfertigung von Bildaufnahmen durch Pressevertreter generell von vornherein verboten werden. Im Hinblick auf die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen einer unrechtmäßigen Veröffentlichung muss grundsätzlich von der Rechtstreue eines Pressefotografen ausgegangen werden. Dies gilt auch, soweit es um Einsätze besonders gefährdeter SEK-Beamter geht. Die Untersagung von Bildaufnahmen kann daher, wenn nicht im Einzelfall gegenteilige Erkenntnisse vorliegen, nicht darauf gestützt werden, dass eine rechtswidrige Veröffentlichung der Bilder durch die Presse und dadurch eine Enttarnung der SEK-Beamten drohe.

Der Gefahr, dass die Identität der SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff - etwa durch Angehörige der sog. russischen Mafia - auf die gefertigten Bildauf-nahmen aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der SEK-Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht sein können, kann im Regelfall - ohne dass es eines Fotografierverbots bedarf - dadurch wirksam begegnet werden, dass der Pressevertreter um die vorübergehende Herausgabe des Speichermediums bis zu einer gemeinsamen Sichtung der gefertigten Aufnahmen durch Presseunternehmen und Polizei aufgefordert wird. Eine solche Vorgehensweise wäre auch hier möglich gewesen. Zeigt sich der Pressevertreter insoweit nicht kooperationsbereit und verweigert die Herausgabe, kommt eine vorübergehende Beschlagnahme des Speichermediums in Betracht. Die Beschlagnahme ist in diesem Fall gegenüber einem Fotografierverbot mit Blick auf die Pressefreiheit das mildere Mittel, weil sie eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglicht. Die Polizei wäre im Falle einer Beschlagnahme verpflichtet, zeitnah in Kooperation mit dem Presseunternehmen über die Speicherung, Bearbeitung, Veröffentlichung und ggf. Löschung der gefertigten Aufnahmen zu entscheiden.

Der Senat verkennt im Übrigen nicht, dass im Einzelfall die Untersagung von Bildaufnahmen auch gerechtfertigt sein kann, wenn - wie vom beklagten Land vorgetragen - bereits das Hantieren eines Fotoreporters mit der Kamera bei Passanten zusätzliches Aufsehen erregen und zu einer unübersichtlichen Situation führen kann, bei der im Fall einer etwaigen Gefangenenbefreiung konkrete Ge-fahren für Leben und Gesundheit der Anwesenden bestehen können. Hier hat sich indes weder der Begründung des mündlich ausgesprochenen Fotografierverbots noch den vom Einsatzleiter im Laufe des Verfahrens abgegebenen Stellungnahmen entnehmen lassen, dass dieser in der konkreten Situation eine solche Gefahr im Blick gehabt hätte. Eine solche Gefahr hat auch objektiv nicht bestanden. Der Einsatz war ohne besondere Vorkommnisse nahezu beendet und es herrschte zum fraglichen Zeitpunkt nur geringer bis mäßiger Fußgängerverkehr.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az: 1 S 2266/09).

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